Reiten für Doofe
Vielleicht lag es auch daran, dass der Sattel fehlte, denn ich sollte ja mit diesem Voltigiergurt reiten, das ist so ein Ding mit zwei Haltegriffen, fast, als säße man im Bus und hielte sich am Sitz vor einem fest.
Aber erst mal stellte ich das Pferd in den Schatten, damit ich nach dem putzen und trensen und was weiß ich noch alles nicht gleich schon wieder mit Hitzschlag aufsteigen muss. Vor dem großen Moment sollte ich es scheuchen, damit es wirklich keinen Bock mehr hat, sich noch zu bewegen, wenn ich erst draufsitze.
Dazu führt man das Pferd auf einen kleinen runden Platz, hat eine Gerte mit einem langen Seil in der Hand und die muss man nur in Richtung Pferdepo leicht anheben und schon trabt es los. Das hat sich die Natur günstig ausgedacht, dass Pferde losrennen, wenn sich hinter ihnen was bewegt. In freier Wildbahn treiben Hengste so ihre Herde an und es ist erstaunlich, dass so ein läppisches Seil einen Hengst ersetzt. Und was noch toller ist: bewegt man sich aus der Mitte zwei Schritte in Richtung Pferdekopf, bremst es sofort, dreht sich um und rennt in die andere Richtung.
Ich selbst kämpfte gegen den Schwindel an, weil man sich ja nur auf der Stelle im Kreis bewegt, während das Pferd wie verrückt um einen herumgaloppiert. Mir wurde sehr karusselIich im Oberstübchen und leider lag der Platz in sengender Sonne. Wenigstens musste ich nicht selber im Galopp rumrennen. Die Besitzerin meinte irgendwann, das Pferd sei jetzt genug erwärmt und es sei hohe Zeit für den nächsten Schritt.
Was soll ich sagen? Ich bin eine Amazone. Ohne Sattel ist viel besser. Sie führte mich natürlich und ich musste gleich Übungen machen. Mit der rechten Hand an den linken Schuh kommen, mit der linken Hand hinten an den Schweif.
Ich war froh, dass ich das in einem unbeobachteten Moment üben konnte, denn ich bin die ungelenkigste Frau, die je versucht hat, Sitzgymnastik auf einem Pferd zu machen. Stellt euch einfach vor, dass ich im Grunde nur verhindert habe, wie ein Mehlsack entweder nach hinten oder vorne zu plumpsen. Das mit der Eleganz und der Körperspannung muss ich dringend optimieren, weil sich das Pferd sonst nur mit mir blamiert. Besser ging Arme über den Kopf, weit ausgestreckt (ich bin die Königin der Welt), jedenfalls durfte ich mich an den Haltegriffen nie festhalten, die waren nur für die Psychohygiene.
Wir latschten über Beton zwischen den Ställen und Reithallen umher und das Geräusch, dass es macht, wenn ein Pferd über Asphalt läuft, schläferte mich geradezu ein und ich kam dem Gefühl vom Glück der Erde ziemlich nah. Die Luft wie Seide, die Vögel zwitscherten, das Pferd schnaubte, ich klammerte nicht, bewegte mein Becken vorbildlich und versuchte, meine Sitzhöcker zu spüren, was mir nicht gelang, denn vor allem spürte ich die Wirbelsäule, aber nicht meine.
Hinterher aßen wir Bratkartoffeln auf der Terasse der Spelunke, die zum Hof gehört, es gesellten sich noch ein paar Leute dazu und erzählten von ihren weltbesten Unfällen zu Pferde. Das machen Reiter immer, wenn sie miteinander sprechen. Ich hörte aufmerksam zu. Retrospektiv wurde mir klar, dass ich mich doch irgendwie in Lebensgefahr befunden hatte, aber wie durch ein Wunder überlebt habe.
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