Auf
der Suche nach neuen Herausforderungen, hetze ich nach der Arbeit in
den Reitstall. Nicht, um mich auf ein Pferd zu setzen, Gott bewahre, die
Spiegelneuronen sorgen nur dafür, dass das Pferd verkrampft und Angst
kriegt.
Aber
es gibt was anderes, um seiner Liebe zu feinnervigen Fluchttieren zu
frönen: die 'Bodenarbeit'. So richtig wusste ich nicht, was das ist,
aber als ich neulich die Tochter meiner Freundin zum Reitstall brachte,
schlug mir ebendies meine frühere (an mir gescheiterte) Reitlehrerin
vor. Ich dachte so an striegeln. Ist man auch nah am Pferd, sitzt aber
wenigstens nicht drauf.
Als ich ankomme, übt schon eine andere Frau 'am Boden'. Ich sah eine halbe Stunde zu und dachte, das
ist ja einfach. Die lief mit dem Pferd einfach nur über den Platz,
linksrum, rechtsrum, in Schlangenlinien. Das kann ich auch. Das kann ja
jeder. Was soll denn an so'm bissel Spazieren gehen Arbeit sein?
Dann
bekam ich von der Trainerin die Zügel in die Hand und sollte
einfach mal loslaufen. Doch nicht so einfach. Ich war auf der Hut.
Immerhin liefen schreckhafte 600 Kilo neben mir her. Genauer gesagt,
hinter mir. "Siehst du dein Pferd noch?" - "Nee, wieso?"
Regel
Nr. 1: Das Pferd läuft neben mir, Abstand eine Armlänge. Läuft es
hinter mir und erschreckt sich, geht es durch, ungünstigenfalls auf
direktem Weg über mich drübba. "Läuft es neben dir und geht durch, hast
du die Chance, mit einem kräftigen Ruck an der Leine das Pferd seitwärts
zu ziehen, dann stoppt es eventuell." Träum weiter, Claudia, ich leg
mich doch nicht mit den Instinkten eines 700 Kilo schweren Pferdes an.
Man muss auch loslassen können.
Ich
übte also, neben dem Pferd zu laufen. Ich sollte denken "Du läuft jetzt
neben mir" und nicht "Es wäre schön, wenn du eventuell neben mir laufen
würdest." Pferde können nämlich Gedanken lesen. Und ich sollte immer da
hingucken, wo ich hinwollte. Dann würde es automatisch in diese
Richtung gehen. Sagt man.
Das
Pferd drängte mich immer weiter nach links, bis zum Zaun und fing an zu
grasen. Das lag an meinen falschen Gedanken. Mein Herz klopfte auch zu
laut. Das konnte man bis Schöneberg hören. Ich konnte aber auch die
Gedanken des 800 Kilo schweren Pferdes lesen. "Mann, ist die blöde, mit
der Trulla mach ich, was ich will." - "Das habe ich gehört", murmelte
ich zurück, wie eine echte Pferdeflüsterin.
Sie brachte mir weitere Sachen bei. Wie ich das Pferd dazu bringe, nach
rechts oder links zu gehen, ohne es zu berühren, mit einer Armlänge
Abstand, kraft meiner Körpersprache. Wenn ich nach rechts will, muss ich
meine linke Schulter in Richtung Pferd drehen, dann würde es weichen,
soweit die Theorie. Wenn es darauf nicht reagiert, soll ich die Armlänge
ausnahmsweise unterschreiten und direkt in Richtung Hals gehen, also
auf das Pferd zu, das neben mir geht.
Habe
ich Todessehnsucht? Nein. Habe ich das Ellenbogen-Syndrom
(aus-dem-Weg-Du-Spacko)? Nein. Ich bin eine freundliche Frau, die
niemandem etwas aufzwingen will, was derjenige nicht auch selber will.
Schon gar nicht, wenn der 800 Kilo wiegt.
Aber
die Trainerin wieder: "Der weiß nicht, dass er 800 Kilo wiegt. Und das
muss er auch nicht erfahren. Wir verlangen absoluten Gehorsam, das ist
die einzige Möglichkeit, Kontrolle zu erlangen, denn im Grunde kann kein
Mensch 900 Kilo kontrollieren. Und das tun wir, indem wir die Sprache
des Pferdes lernen und wissen, wie sie ticken. Haust du einem Pferd auf
den Arsch, geht es immer nach vorne, weil Hengste eine Herde vor sich
hertreiben, indem sie sich von hinten nähern. Gehst du auf Höhe des
Bauches nebenher, nimmt dich kein Pferd ernst, weil da immer die Fohlen
gehen. Du machst das alles, ohne ihn zu berühren. Reagiert er nicht,
kannst du ihn leicht antippen. Reagiert er mmer noch nicht, tippst du
etwas stärker. Immer noch nicht? Deine Schuld, weil du keine eindeutigen
Signale gibst."
Grundgütiger, ich kann mir ja kaum Doko-Regeln merken, jetzt auch das noch.
Aber, ohne Scheiß, es macht glücklich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen