Donnerstag, 24. November 2016

Plumpsi on the horse

Dritte Reitstunde. 

Es fing nicht gut an, denn das Pferd hatte so eine Attitüde. Es war sehr glücklich, bis ich kam, denn es bekam gerade sein Mittagessen und wollte nicht aus der Box. Konnte ich nachvollziehen, aber die Reitlehrerin verbot mir sofort das vermenschlichen. Es hätte zu tun, was ich von ihm will, dann wäre es auch sehr glücklich. Wahrscheinlich. Vielleicht. Aber schnickschnack, das hätte mich nicht zu kümmern.

Ich traute mich trotzdem nicht in die Box, denn es hatte so geschickt eingeparkt, dass ich mich an der Wand hätte an ihm vorbeiquetschen müssen, was bedeutet, dass das Pferd zwischen mir und dem Ausgang steht. Für solche Sperenzchen bin ich nicht zu haben. Zur Verdeutlichung fehlender Motivation legte es die Ohren an; auf deutsch: 'Geh mir besser aus dem Weg'. 

Die Reitlehrerin zeigte mir, wie man das Problem löst. Aber das reichte ihr nicht, ich sollte es nachmachen, dabei hatte sie es schon gehalftert, alle waren glücklich. Aber nein, sie fummelte alles wieder runter und dann hatte ich meine Domina-Qualitäten zu beweisen. 

Draußen auf dem Hof blieb es stehen, beugte sich zu einem dreijährigem Kind runter und starrte es in Grund und Boden. Es hypnotisierte das Kind. Das war natürlich ein geschicktes Ablenkungsmanöver. Die Show war nur für mich. Ich kugelte mir bald die Schulter aus, beim Versuch, das Pferd zu bewegen. Aber heute wollte es ein Reiterstandbild sein, nur ohne Reiter.

Ich bezweifelte, dass ich mich draufsetzen würde. Wer weiß denn schon, wie sauer es wirklich ist, weil ich es in der heiligen Mittagspause gestört habe. Die Reitlehrerin hatte hingegen keine Zweifel. Natürlich nicht. Die hat ja nie Zweifel. 

Als wir in der Halle waren, führte sie mich 20 Sekunden, übergab mir die Zügel, lief noch eine Minute neben mir her und entfernte sich dann unauffällig. 40x20 Meter sind eine unendliche Prärie, man ist sehr allein in so einer riesige Halle. Und man darf ja nie hinreiten, wohin das Pferd will, sondern bekommt in einer Tour Befehle.

"Bei E wendest du nach links und bei C hältst du an. Ganz in die Ecken rein, lass dich nicht verarschen."

Du meine Güte, natürlich werde ich verarscht, selbst das dümmste, zuschanden gerittene Wachkoma-Schulpferd merkt, wenn es einen Tölpel auf seinem Rücken hat und dann kürzt es eben ab. Ich hingegen sitze auf einem gut ausgebildeten Privatpferd, das auf leichte Hilfen reagiert - aber nur, wenn man weiß, wie man leichte Hilfen gibt. 

Ich hingegen bin noch im Modus der sich widersprechenden Doppelbotschaften, das Wort 'Hilfen' kann ich gerade mal buchstabieren; kein Wunder, dass es denkt, ich bin zu alt für diesen Scheiß.

Während ich versuchte, dem Pferd begreiflich zu machen, wohin ich will (und zwar ohne am Zügel zu zerren, sondern allein durch Blicke zum Zielbuchstaben, einer leichten Bewegung der Schulter, einer fast unmerklichen Verlagerung des Gesäßes), filmte mich die Reitlehrerin. 

Und da war sie wieder, die Differenz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung. Ich dachte ja, dass ich mich geschmeidig den Bewegungen des Pferdes anpasse und mein Becken vorbildlich bewege. Es stellte sich heraus, dass ich es praktisch gar nicht bewege oder nur in homöopathischer Dosis, die keine Kamera der Welt einfangen kann. Ich sitze zwar kerzengerade, aber auf eine verschreckt paralysierte Weise. Und das mit der Eleganz habe ich immer noch nicht raus.

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