Donnerstag, 27. April 2017

Let's start again

Von blöden Malaisen einigermaßen demoralisiert, erinnerte ich mich in letzter Sekunde an diesen Ort gibt, an dem ich alles vergesse, was mir auf den Zeiger geht. 

Serientermin vereinbart. Reiten oder Bodenarbeit? Letzteres. Der Rücken.

Außerdem hatte ich einen Gutschein von Krämer eingelöst und fuhr mit neuen Handschuhen und dem Profi-Leckerli-Beutel los. 

Das Pferd ist ja ohnehin von der sanften Sorte, heute spürte es noch genauer als sonst, dass es bei einem Tölpel wie mir immer noch am schnellsten geht, wenn es ganz ruhig stehen bleibt, während ich an ihm herumdilettiere; will sagen: eigentlich hat es sich das Arbeitshalfter samt Kopperriemen praktisch selbst angezogen. 

Das ist auch besser so, denn das Gebiss anzulegen, ist eine gefährliche Sache für das Tier, jedenfalls wenn ich beteiligt bin. Ich hab immer Schiss, dass ich ihm das rechte Auge demoliere, während ich links von ihm stehend versuche, das Ding über seinen Kopf zu ziehen. Aber es beugte seinen Kopf so tief, dass selbst ich die Prozedur unfallfrei über die Bühne brachte. 

Auf dem Paddock, auf dem uns erlaubt ist, Bodenarbeit zu machen, traf ich meine Reitlehrerin, die mich erstmal ganz allein machen ließ. 

Nun ist das Pferd ein faules Pferd und mit mir an der Seite hält es Mittagsschlaf. Während ich mich meiner Meinung nach schon unheimlich dominant gebare, sieht das die Trainerin naturgemäß ganz anders, worin sie sich mit dem Pferd einig ist. 

Also versuche ich in meine Stimme etwas zu legen, das keinen Widerspruch duldet. Für alle anderen flöte ich das Pferd jedoch nur an, also gehe ich nicht auf Höhe der Mitte des Halses, sondern meist vor ihm, was auch wieder nicht erlaubt ist. Man gibt mir eine Gerte, damit geht's besser. 

Dann das alte Spiel, im Slalom um die Hütchen, Volten, stehenbleiben... und dann: antraben! Hä? Antraben? Ich soll laufen neben dem Pferd? Ich, die es geschafft hat, meine nicht vorhandene Kondition aus dem letzten Jahr auf einen noch tieferen Tiefpunkt downzugraden? 

Ich lief los, ach was schreib ich denn da, ich hoppelte los und das Pferd schlurfte mit, durch den tiefen Sand, mein Herz bollerte wie sonst nur mitten in der Nacht, ichkahannnichmeher, ein Mehlsack versucht 600 Kilo zum laufen zu bringen, das Pferd hat sich totgelacht und wird heute Nacht im Stall die anderen zum lachen bringen, so kriegt es doch nie Respekt vor mir!

Meine behende und leichtfüßige Trainerin machte vor, wie es geht. Wie ein verdammtes junges Fohlen rannte sie los, sogar zum galoppieren brachte sie den Trumm. Kein Wunder, sie hat Spannung (und nicht Anspannung, wie ich) und eine natürliche Dominanz, das Pferd wusste gleich, dass die guten Zeiten jetzt vorbei sind. Kein Widerwort.

Als sie mir den Führstrick zurück gab, war das Pferd in Schwung und rannte auch mit mir los, ich hechelte hinterher. Eine dumme Sache. Das Herz schlug mir bis zum Hals und mir war klar, dass ich mein Leben nun doch werde frühzeitig beenden müssen; hier auf dem Platz würde mich der Schlag treffen und alles nur, weil ich lauter falsche Lebensentscheidungen getroffen habe, wie zum Beispiel nach drei Wochen nichtrauchens im letzten Oktober idiotischerweise doch wieder angefangen zu haben und darüberhinaus den Winter nicht genutzt zu haben, die 10 Kilo abzunehmen, die ich traditionell immer abnehmen will, sondern ganz im Gegenteil noch fünf Kilo draufgepackt habe, weil alles so blöde ist wegen dieser bescheuerten Umstrukturierung, überhaupt, diese Umstrukturierung, die mein Leben zur Hölle gemacht hat, weshalb ich gezwungen war, sehr viel Schokolade zu essen. Verdammt und jetzt renne ich hier neben einem Pferd, heim in die ewigen Jagdgründe, es ist doch zu schade um mich. 

Hinterher meinte die Trainerin, dass sie begeistert ist, dass ich überhaupt keine Angst hatte, neben einem trabenden Pferd zu laufen (sie war überzeugt, dass ich mir in die Hose machen werde) und dass ich gar nichts vergessen habe und dass alles sehr harmonisch ausgesehen habe. 

Ha! Ich wusste es: ich bin ein Ausnahmetalent.

Sonntag, 2. April 2017

Mal wieder im Stall

Nicht um zu reiten, das ist ein Ding der Unmöglichkeit, außer man würde mich mit Treppenlifter auf's Pferd und wieder runter bugsieren. Allein der Gedanke, ich müsste auf's Pferd steigen und später ja auch irgendwie wieder runterkommen (schon ohne Rücken eine eher peinliche Tortur für Mensch und Tier, wegen meiner fehlenden Eleganz), verursacht Symptome einer Querschnittslähmung. 

Nein, ich fuhr die Tochter meiner Freundin von gegenüber in den Stall, eine mitten in der Pubertät steckende und daher eisern schweigende Masse Hormone. Allein, wenn man sich ihr in Begleitung eines Tieres nähert (beispielsweise dem Leihhund), löst das ihre Zunge. Ich freu mich dann immer, mal wieder ihre Stimme zu hören, denn sie kommuniziert seit geraumer Zeit nur per Schulterzucken. 

Aber ich will nicht undankbar sein, die ersten 12 Jahre mit ihr waren himmlisch. Ein wiedergeborenes Schneewittchen, das niemals Wimperntusche und Lippenstift benötigen wird, immer ein Lachen im Gesicht. Nun also ohne den allergeringsten Anflug eines Lächelns, schlurft sie über die Straße und lässt sich ins Auto fallen. Jetzt ein Gespräch zu beginnen, ist völlig zwecklos; ich habe kein Tier dabei, also lasse ich es gleich bleiben. 

Im Stall angekommen, besuche ich mein Leih-Pferd auf der Weide. Man könnte sagen, es erkennt mich, aber ich meine Angstschweiß bei dem Tier zu erkennen und in ihren Augen lese ich "Du meine Güte, jetzt kommt die wieder!" 

Ich schleime mich mit Mohrrüben ein; leider wird sie von den anderen Pferden weggedrängt. Ich untergrabe das Mobbing und stärke ihre Position, indem ich allein sie füttere, in aller Öffentlichkeit. Das wird den anderen Stuten eine Lehre sein. So geht Change Management!

Später gehe ich zurück auf den Hof, setze mich auf die Terasse der Spelunke und genieße die Sonne und die Geräusche. Hufgeklapper wäre zum einschlafen noch besser als eine Glotze, aber ich werde wohl niemanden finden, der um Mitternacht vor meinem Fenster sein Pferd spazieren führt. 

Ich komme ins träumen, wie es wäre, ein eigenes Pferd zu haben. Eins, dem man galoppieren weggezüchtet hätte, traben nur ganz langsam und das am glücklichsten wäre, mich tagein, tagaus im Schritt, meinetwegen Arbeitstempo, durch die Landschaft zu tragen. Die Tochter von nebenan könnte drauf reiten, so oft sie will, damit es ausgelastet wäre. Als ich ihr davon erzähle, meint sie, das würde sie nicht machen, denn ein Kaltblut sei überhaupt kein Pferd, sie brauche was mit Pfeffer. Undankbares Gör!

Am Nebentisch wird gefachsimpelt, ein Mädchen erzählt, dass sie gleich zu einer Freundin reitet, um bei der im Garten Kaffee zu trinken, die wohne nur drei Kilometer entfernt und ich würde töten für die Gelegenheit, meine Freunde oder sonst jemanden mit dem Pferd zu besuchen. Die hat das perfekte Leben, denke ich gerade, da ändert sie das Thema. 

Ihr schwuler Bruder habe sich neulich den Eltern geoutet und wollte sich aufgrund der Reaktion der Mutter gegen den Baum fahren, aber sie habe ihn daran hindern können, das Haus zu verlassen. Inzwischen sei aber alles wieder in Butter, die Mutter hat sich entschuldigt und der Vater sei informiert, dass die "Phase" schon fünf Jahre dauert. Es gäbe in der ganzen Angelegenheit überhaupt nur ein Problem: sie und ihr Bruder haben denselben Männergeschmack. 

Dann folgt eine Begebenheit aus einer Schwulenbar, wo sie sich sehr wohl gefühlt hat, weil sie nicht "mit dem Arsch an der Wand lang musste" und zudem die "Nadel im Heuhaufen" gefunden habe, denn sie ist mit einem Date nach Hause, der Bruder ging leer aus. Allein das Hufgetrappel und Geschnaube der Pferde hält mich so in der Balance, dass ich nicht anfange zu schreien.

Später kommt die Besitzerin meines Leih-Pferdes, ich freu mich sehr, sie zu sehen. Sie holt das Pferd von der Weide und wir stehen eine Weile zusammen, reden, das Pferd hört zu.

Der perfekte Sonntag.