Donnerstag, 24. November 2016

Hoch zu Ross

Seit Monaten bin ich mit diesem Pferd zugange. 

Ich habe überhaupt keine Angst mehr, ihn wegzuschieben, wenn er mir zu nahe kommt, ihm den Kopf festzuhalten, wenn ich ihm die Nüstern putze und dass mir immer ein endloser Furz (Pfffffffffffffffffffffffffffffffffffft) ums Haupthaar weht, sobald ich seine hinteren Hufe auskratze... nun ja, ein bisschen Spaß muss sein. Ich gehe vor ihm in seinen Stall und wenn er einfach reinlatschen will, stoppe ich ihn und schicke ihn ein paar Schritte rückwärts, bevor er rein darf. 

Ich hab Glück mit dem Pferd, es ist ausgeglichen, geduldig und am liebsten steht es still. Wenn es keinen triftigen Grund gibt, rührt es sich nicht. Aber es ist gut ausgebildet, keins von den zuschanden gerittenen Schulpferden, sondern aufmerksam, neugierig und dabei nicht allzu schreckhaft.

Das optimale Tier für einen Angsthasen wie mich. 

Heute war der große Tag. Ich sollte mich das erste Mal draufsetzen. 

Ein schlechter Tag, schwül und heiß, da bin ich per se kaum mehr unter den Lebenden. In der gleißenden Sonne machte ich ihn fertig, putzen, trensen, Sattel drauf - ich war halb ohnmächtig vor Hitze. Reithosen sind aus festem Stoff, Reitstiefel habe ich nur gefüttert, Handschuhe an und dann noch den Reithelm auf - ich wollte die ganze Sache abblasen und im November 2018 einen neuen Versuch starten. 

Aber alle, die dir reiten beibringen wollen, haben eine Dominanz, die keine Widerworte duldet; die haben sie sich erworben in all den Jahren, die sie mir voraus sind. 

Sidekick: @ Eltern: schickt eure Kinder zum reiten. Wenn sie die Erfahrung machen, dass sie so ein großes Tier kontrollieren, lassen die sich auch im Leben nicht die Butter vom Brot nehmen. 

Gottseidank steigt man heutzutage mit einer Aufstieghilfe aufs Pferd, weil man festgestellt hat, dass das rückenschonender für das Tier ist. Unter anderem, würde ich sagen.

Ich sollte nur geführt werden, dabei hatte ich vor, die Besitzerin zu überraschen. Ich wollte ganz lässig sagen: lass mal, ich mach das schon alleine und traben will ich auch gleich probieren. So der Plan. Ich hatte volles Vertrauen in mich und das Tier, denn ich kenne es nun gut genug, diesen sanften Riesen, der mir kein Leid zufügen wird. 

Kaum saß ich drauf, kam, was kommen musste: er wollte gleich mit mir durch die Mitte und die Besitzerin hatte ihre Mühe und Not, ihn daran zu hindern. Sie erschrak sich ("das hat er noch nie gemacht!"), ich sowieso und das Pferd machte genau das, was ich ihm in meiner Panik befahl: Beine fest in die Seiten gedrückt heißt nun mal "Nu mal los, aber hoppchen." Es ist, wie schon gesagt, ein gut ausgebildetes Pferd, das auf leichte Hilfen reagiert. 

Ich wollte sofort wieder runter. Dachte, wieso will ich unbedingt reiten, das macht doch ü-ber-haupt keinen Spaß. Und es ist auch recht unbequem da oben. Sehr wackelig. Und dann führte sie mich zum Spiegel, damit ich mal sehen kann, wie ich drauf sitze. Dieser schwankende, nasse Sack soll ich sein? Wieso sieht denn das bei mir nicht elegant aus? Wo ist denn meine Körperspannung? Doch nicht etwa weggeraucht? 

Nach zehn Minuten hatte ich die Nase gestrichen voll und wollte absteigen. 

...

Ich werde darüber schweigen und außerdem versuchen, so schnell wie möglich zu verdrängen. Mein Selbstbild ist im Arsch, keine Ahnung, in wieviel Jahren ich mich wieder ernst nehmen kann.

Insgeheim bewundere ich das Pferd für seine Klugheit. Bis ich da mal wieder drauf steige, bin ich in Rente. Die Pferdebesitzerin sieht das anders. Nächsten Mittwoch. Ich glaub, da muss ich aber bügeln.

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